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Digital Business Transformation

Chancen erkennen und ergreifen

Lesezeit ca. 13 Minuten

Geschäftsmodelle ändern sich

Was bedeutet es, wenn ein Unternehmen Quartal auf Quartal 20% Rückgang in seinem umsatzstärksten Produkt berichtet? Im Regelfall eine Katastrophe für das Unternehmen. Glücklicherweise ist Apple dank 10 erfolgreicher iPhone-Jahre mit 130 Mrd USD Cash-Polster ausgerüstet und somit robust genug, den Rückgang noch eine Weile hinzunehmen (1).

Dennoch weisen die Zahlen eine klare Richtung. Die Zeiten, in denen sich bequem ein Premium aufgrund von Marke und Haptik des Produktes aufrufen lies, gehen dem Ende entgegen. Nach nunmehr gut 10 Jahren ist der sichtbare Mehrwert des iPhone gegenüber anderen Marktteilnehmern erodiert.

Glücklicherweise hat Apple vorgesorgt! Die Zuwächse in den Wearables und Services können aufgrund der Umsatzanteile die Verluste im iPhone Absatz noch nicht kompensieren, aber sie zeigen in die richtige Richtung. Und sie bieten eine neue Plattform, die sich noch näher am Kunden befindet. Wenn das Telefon in der Uhr aufgegangen ist, wird das iPad die anderen Aufgaben des iPhones übernehmen. Wer noch in Smartphones investiert, hat den Zukunftstrend vielleicht schon verpasst. Faltbare Screens sind sicherlich eine interessante Alternative. Ob sie jedoch die entsprechende Benutzerakzeptanz finden, bleibt abzuwarten. Wenn ich an das Zeitungs-Oregami in der Londoner U-Bahn denke, das sich dort vor 20 Jahren jeden Morgen beobachten lies, habe ich meine Zweifel.

Unabhängig davon zeigt dieses Beispiel ganz drastisch, dass sich Bedarfe und Technologien mit der Zeit verändern. Geschäftsmodelle müssen, diese Änderungen aufnehmen, sich anpassen, sonst laufen die Unternehmen Gefahr, obsolet zu werden. Heute noch exzellente Werteversprechen erodieren mit der Zeit oder fallen ganz weg.

Der Gültigkeitszeitraum für Geschäftsmodelle verkürzt sich ständig

Hat IBM vor 10 Jahren seinen WebSphere-Application-Server noch für 1.000 USD pro Core lizenzieren können, würde heute kaum einer mehr ein solches Angebot guten Gewissens annehmen. Analog steht es bei den Datenbanken oder anderer Technologie, die vor wenigen Jahren noch als absolutes „Muss“ teuer von Premiumanbietern erworben wurden. Open Source aber auch die schlichte Weiterentwicklung der Technologien haben zahlreiche Varianten und Substitute geschaffen.

Jack Welch hat in den Neunzigern erkannt, dass der Verkauf von Maschinen bzw. Triebwerken alleine nicht das ist, was den Kunde begeistert. Auch noch so technisch ausgefeilte Triebwerke waren weniger wertvoll für Kunden, als ein Triebwerk, das ständig funktioniert.(2) Er hat GE darauf aufsetzend von einem Maschinen- und Anlagenbauer erfolgreich in eine Service-Company transformiert, die nicht mehr nur noch an der Produktion bzw. dem Vertrieb sondern auch den Betrieb der produzierten Güter verdiente. Der Wandel vom Produktfokus zum Kundenfokus hat dem Unternehmen lange Jahre nachhaltige Einkommensströme gesichert.

Die heutigen Vorreiter dieses (digitalen) Wandels finden sich im Consumer-Bereich in Form von Amazon oder Apple: Denke das Geschäft vom Kunden; Gib ihm, was ihn glücklich macht: kostenfreie Lieferung, sorgenfreies Shopping, aufwandsarmes Bestellen (Nachbestell-Knopf, Alexa), Lieblingsmusik und Unterhaltung. Lerne dabei immer mehr über ihn.

Im B2B-Bereich versprechen Internet of Things (IoT) basierte Geschäftsmodelle diese Bindungswirkung: Beobachte die Nutzung, Analysiere das Verhalten und leite daraus neue Geschäftsmodelle ab.

Digitale Geschäftsmodelle rücken den Kunden stärker in den Fokus und schaffen eine mehrwertorientierte Beziehung

Steve Jobs on „customer focus“, 1997 when he returned to Apple
(klicken zum Abspielen)

Waren bisher Leaseplan und Co. als Flottenmanager hilfreich, steht mit der in neuen Fahrzeugen integrierten IoT-basierten Nutzungsanalyse und den sich ändernden Nutzungsgewohnheiten (Auto on demand / Car 2 Go) zukünftig die Information bezüglich Reparatur- und Inspektionsbedarf zunächst einmal dem Hersteller zur Verfügung. Dieser kann – in einem Kontext des autonomen Fahrens – die Fahrzeuge fallweise und nach Auslastung in die nächstgelegene oder verfügbare Werkstatt dirigieren.

Wenn OEMs sich rechtzeitig von der Vorstellung einer Transaktionsgebühr für eine Tonne Blech plus Elektrik verabschieden und stattdessen das Geschäft vom Kunden aus neu denken, können Sie auf Basis ihrer Marktmacht den Sprung zu einer mobilen Handelsplattform schaffen. Der bisherige Anschaffungsprozess wird umgangen, das Auto wird on demand vom Kunden geordert und nach Gebrauch „zurückgegeben“.

OEM new playing fields (sample vision)

OEM new playing fileds

Aus Kundensicht mag dies ein wünschenswertes Szenario sein, denn sobald das Auto bspw. nur pro gefahrenem Kilometer abonniert wird, fallen die erheblich wertvernichtenden Anschaffungskosten weg und man muss sich nicht um Inspektionen, Reifenersatz oder anderweitig lästige Reparaturen kümmern und braucht – im Kontext des autonomen Fahrens – nicht mal mehr einen Parkplatz zu suchen. Alles wird durch das Auto bzw. IoT-basierte Messung und Steuerung selbst organisiert. (Ich freue mich schon!)
Gleichzeitig eröffnet sich dem Automobilanbieter die Option, die Kunden, welche die Autos mieten, zu begleiten – per App auf dem Handy – ihre Nutzungsgewohnheiten zu analysieren – Strecken und Nutzungshäufigkeiten – sowie den tatsächlichen Fahrzeugbedarf – SUV, Mini etc. – zu prognostizieren oder „Fremdfahren“ zu beobachten.

Die Auswirkungen solcher Veränderungen sind erheblich und bedürfen einer ausgedehnten Betrachtung: Durch die Umstellung verändert sich der Cash-Flow. Was bisher in einer Transaktion erhoben wurde (Verkaufspreis) verteilt sich auf die Nutzungsdauer. Das Eigentumsrisiko bleibt beim Hersteller bzw. Betreiber. Gleichzeitig bietet sich aber auch die Möglichkeit, einen gigantischen Kosmos an Mehrwertdiensten im Longtail-Verfahren auf die Verkaufsplattform Auto zu ziehen (s. nebenstehende Grafik). Das sind alles lösbare Herausforderungen. Sie erfordern jedoch ein konsolidiertes Vorgehen auf mehreren Ebenen (Betreibergesellschaften, Finanzierungsstrategie, Versicherungen).

Anhand dieses kleinen Beispiels wird deutlich, dass eine ernsthafte Digitale Transformation ein erhebliches Unterfangen darstellt, das eine Vielzahl von Facetten hat und Senior Sponsorship erfordert. Gerade die Vielfalt stellt existierende Organisationen mit ihrer zergliederten Verantwortung und Arbeitsteilung vor annähernd unüberwindbare Aufgaben. Einerseits sind die Organisationsmitglieder ob der existierenden Strukturen gezwungen arbeitsteilig zu denken, um nicht anzuecken. Andererseits entziehen sich viele Aspekte den über die Zeit spezialisierten Betrachtungen Einzelner in arbeitsteiligen Welten. Diese Aspekte werden im Abschnitt Personal und Struktur noch vertieft.

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Richtige Geschäftsmodell-Innovation finden

Doch wie kommt man nun zu einem neuen, tollen Geschäftsmodell? Angenommen das eigene Geschäftsmodell funktioniert gut. Es produziert einige (hundert) Million Umsatz im Jahr und es ist eine, wenn auch vielleicht unter Druck befindliche, jedoch noch hinreichende Marge vorhanden. Was ist zu tun? Ist überhaupt etwas zu tun?

Da sich gegenwärtig immer mehr hergebrachte Verhaltens- und Nutzungsweisen durch den Einsatz von Informationstechnologie ändern, ist rechtzeitig Vorausschau geboten. Laufen die Zahlungstransaktionen heute über die Kreditkarte, könnte es morgen ein anderer Micro-Payment-Service sein. Findet heute Flottenkoordination über Drittanbieter statt, wird das zukünftig vielleicht durch den Hersteller erfolgen, der nur noch Transportkapazität verkauft.
Die Veränderung der Geschäftsmodelle bietet Chancen, die eigene Position in der Wertschöpfungskette neu zu definieren.

Diese Situation sollte jedoch nicht als Bedrohung wahrgenommen werden. Sie bietet auch die seltene Chance, die eigene Position in der Wertschöpfungskette durch innovatives und rechtzeitiges Handeln neu zu definieren.

Bei EACG haben wir aufsetzend auf gängiger Management-Literatur und typischen Analyse-Methoden das Value-Spot-Konzept entwickelt, welches einem Unternehmen bei der strategischen Analyse helfen kann. Ausgehend von der Position in der Wertschöpfungskette (was liefere ich in welcher Menge?) und den bestehenden Kundengruppen (an wen?) sowie deren heutiger sowie zukünftiger Prioritäten (was beschäftigt die?) wird der zu bewältigende Bedarf, bzw. die sinnvollerweise zu erbringende Leistung abgeleitet (was werde ich liefern?) und bepreist (zu welchem Preis?).

Diese Betrachtung wird mit der Position in der Wertschöpfungskette abgeglichen (kann ich das durchsetzen?), um Akzeptanz und ggf. erforderliche Partner (wen benötige ich zur Unterstützung/Allianzen) zu identifizieren. In diesem Kontext lassen sich sowohl neue als auch zukünftige Leistungen und Vergütungssysteme identifizieren und analysieren.

Durch die konsequente Fokussierung auf die Kundengruppen und Kundenprioritäten lassen sich Zukunftsszenarien ableiten, bewerten und die erforderlichen Rückschlüsse auf die technologischen Fähigkeiten ziehen. Dies wiederum lässt die erforderlichen Realisierungskosten erkennen, welche als Gegenpol zu der Option zu betrachten sind. Dabei ist es wichtig, auch die Unterlassensalternative zu betrachten. Also die Veränderungen, wenn man nichts unternimmt. Dies zieht üblicherweise eine Erosion der eigenen Marktposition nach sich, die als Erlöse der zukünftigen Marktposition zuzuschlagen sind, wenn sie durch die Änderung vermieden werden können. Im Idealfall lässt sich jedoch der Anteil an der Wertschöpfung mit dem neuen Modell erhöhen.

Die Beantwortung dieser Fragen erfordert Fokus, Zeit und Energie. Dies ist unserer Erfahrung nach als Nebentätigkeit im operativen Geschäft nicht möglich! Wer hierfür nicht hinreichend Raum schafft, entzieht dem Transformationsvorhaben von vornherein die Erfolgsgrundlage. Der Fokus und die Gesamtsicht sind essentiell, um Fehlinvestitionen zu vermeiden!

Datensammeln, AI-basierte Analysen oder Entscheidungsfindung, Blockchain-Ansätze und Automatisieren von Verwaltungslösungen beschäftigen die IT gerne und viel. Ob sie sich auch wirtschaftlich tragen oder gar eine digitale Zukunft eröffnen, steht auf einem anderen Blatt.

Die IT bietet viel Raum, um sich mit hippen Technologien zu beschäftigen. Der Fokus der Initiativen spielt daher eine zentrale Rolle für ihre Wirtschaftlichkeit

The Making of 365FarmNet

Eine sehr interessante Veränderung hat beispielsweise Claas vorgenommen. Der Hersteller von Mähdreschern und Traktoren hat 2012/2013 erkannt, dass es zunehmend schwieriger wird, bei Kunden Begeisterung für sechsstellige Investitionen in neue, noch PS-stärkere Maschinen zu wecken. Zum einen halten die Maschinen einfach zu lange, 30 Jahre sind keine Seltenheit. Zum anderen ist eine überzeugende Argumentation für noch größere Arbeitsbreiten bei bereits verfügbaren 12 Metern oder Effizienzsteigerungen bei bereits erreichten 98+% schwierig.

Ausgehend vom Bedarf des Kunden, wurde jedoch erkannt, dass die Anzahl der Management-Systeme und Koordinationsaufgaben auf dem Hof eine neue Herausforderung für den Landwirt darstellen. Somit rückte der Managementprozess des Kunden in den Fokus; eine Art Vorwärtsintegration in der Wertschöpfungskette.

Durch die Schaffung einer digitalen Plattform (s. 365FarmNet), die dem Kunden einen zentralen Mehrwert liefert – hier die organisatorische und fachliche Unterstützung der täglichen Arbeit – verankert sich Claas auf dem Hof, wird zum zentralen Bestandteil der täglichen Aufgaben.  Aufträge lassen sich in 365FarmNet konzipieren und (automatisiert) an die Maschinen übertragen. Die Steuerung der Maschinen kann aus dem webbasierten Planungssystem erfolgen. Durch Einbindung des hauseigenen Telemetrie-Dienstes lassen sich die Maschinen beobachten und nachsteuern, Be- und Abtank-Fahrzeuge zeitnah koordinieren, Einsatzplanungen vornehmen etc. Claas erschließt sich durch diesen Ansatz neue Handlungsfelder, die sich im Zuge einer konsequenten Strategieumsetzung weiter ausbauen und monetarisieren lassen.

EACG konnte diesen Prozess unterstützen. In wenigen Monaten wurde aus der Vision eine Lösung, die mit Kunden getestet und weiterentwickelt werden konnte.

Customer Priorities erkennen

Zentral für die Entdeckung dieser nicht alltäglichen Option war das Verständnis der tatsächlichen Herausforderungen des Kunden. Durch die detaillierte Kenntnis der Sorgen und Nöte des Landwirts war es möglich, eine Lösung zu identifizieren, die einen neuen Zugang schafft und somit die Position in der Wertschöpungskette nachhaltig ändert: Vom Zulieferer einer oder mehrerer Maschinen zum Unterstützer des Management-Prozesses.

Auch, wenn es Zeit und Aufwand kostet: Wer nicht schon seitens seiner Kunden klare Reiseziele vorgegeben bekommt, sollte sich die Arbeit machen, diese – zum Beispiel mit Hilfe des EACG Value Spot-Konzeptes – zu evaluieren. Dabei wird in einem ersten Schritt der Umsatz in Kundengruppen eingeteilt. Gruppen lassen sich anhand von Industrien (Finanzdienstleistungen, Einzelhandel, Verarbeitendes Gewerbe, etc.) oder Geographien bilden. Auch die Unternehmensgröße kann ein Kriterium sein, diese Klassenbildung ist jedoch häufig nur in Sekundärindustrien (Hospitality, Finanzen etc.) sinnvoll.

Für diese Gruppen werden dann die 3-5 wichtigsten Themen identifiziert, die in den kommenden Jahren die Agenda der Unternehmen bestimmen. Im Idealfall ist das Verhältnis zu den Kunden gut genug, um sie direkt zu fragen. Ist dies nicht möglich, hilft hier nur die Antizipation und Gespräche mit nahbareren Branchen-Insidern. Dabei gilt es sowohl die gegenwärtigen Prioritäten als auch die der kommenden Jahren (<t+5) zu identifizieren.

Die Gegenüberstellung dieser zwei Listen zeigt, wie sich die eigene Leistung in der Wahrnehmung des Kunden verändern wird. Wenn sie sowohl jetzt als auch in 5 Jahren unter den Top 5 Prioritäten liegt, ist für diese Kundengruppe keine Eile geboten. Verschwindet sie jedoch, sind der Wechsel der Kundengruppe als auch die Umgestaltung der Lösung bei Beibehaltung der Kundengruppe die Handlungsoptionen.

Jeff Bezos on the „World’s most customer centric company“
(klicken zum Abspielen)

Oft werden wir gefragt, welche Glaskugeln wir denn im Keller hätten, um die zukünftigen Prioritäten erkennen zu können. Tatsächlich gibt es da leider keine. Keine unserer Antizipationen wird einen Black Swan verlässlich erkennen, bevor er um die Ecke biegt. Jedoch gibt es ein Set an Verhaltensmustern, die sich unterstellen lassen. Dazu gehören branchenspezifische Betrachtungen wie die Wettbewerbssituation, Technologie-Adaption oder Konsolidierungsstatus aber auch Konzepte wie die Altschullerschen Innovationsprinzipien.(3)

Diese Erkenntnisse sind im nächsten Schritt auf die eigene Position anzuwenden. Welchen Wert hat die eigene Leistung/Wertschöfpung in diesem Kontext? Welche Eigenschaften lassen sich sinnvoll ergänzen? Wo findet man sich heute, wo zukünftig in dem Wertschöpfungsgefüge wieder?

Lässt sich in der Betrachtung über das Portfolio eine bestimmte Eigenschaft oder Fähigkeit identifizieren, die sich für alle oder mehrere Kundengruppen generalisieren lässt? Wenn ja, liegt hier vermutlich eine zukünftige Capability verborgen. Diese herzustellen und mit Hilfe von Technologie zu optimieren oder auszubauen, kann ein guter Anfang sein. So lassen sich immerhin vermutlich schon mal Kostenvorteile erzielen.

Beispiel Entwicklungsprognose Versandhandel

Entwicklungsprognose

Nebenstehendes Bild zeigt die Entwicklungsprognose aus Sicht eines Online-Retailers aus dem Jahre 2010. Dabei werden die bekannten und absehbaren Technologie-Trends mit den sich abzeichnenden Konsum-Trends in die Zukunft extrapoliert. Hieraus ergeben sich neue Vertriebs- bzw. Wertschöpfungsansätze.

Beispielsweise zeichnete sich 2010 bereits ein Trend zu Ereignis-bezogenen und individualisierten, also in Summe wesentlich bedarfsorientierteren Angeboten ab. Die Regionalisierung und Individualisierung von Angeboten wird auf Basis von Massendaten-Analyse (Realtime-Click-Stream und Einkaufshistorie) und KI die nächste Stufe der vertrieblichen Ansprach einleiten.

Unter diesen Annahmen, wächst die Herausforderung, den richtigen Artikel im richtigen Moment im richtigen Angebotssortiment zu platzieren. Daher lässt sich der Bedarf das Management von Artikelinformation zu optimieren, als zentrale Kompetenz über unterschiedliche zukünftige Wertschöpfungsstufen erkennen.
Die Untersuchung der (gewünschten) Rollen, Aufgaben und Bedarfe aller Wertschöpfungs-teilnehmer im Kontext der jeweils möglichen Szenarien hilft beim identifizieren zukünftiger Bedarfe der jeweils zu betrachtenden Zielgruppe.

Eigenen Value Spot identifizieren

Wer ein solches Bild entwickelt hat, kann sich nicht nur Gedanken über seine eigene Position im gesamten Wertschöpfungskontext machen, er hat auch die Möglichkeit, zu identifizieren, wofür er in welcher Situation tatsächlich Geld verlangen will.

Hierbei sind Beschaffungssituation, Spezialisierung der Leistung und Bindungsgrad zentrale Gestaltungselemente. Interessant erscheinen Modelle, welche eine Preiselastizität derart erlauben, dass Sie sich an den Erfolg der Kunden binden. Sehr angenehm sind auch Modelle, welche ein Premium an Stellen nach der Kaufentscheidung – also im Bindungskontext – erheben, im Internet geläufig als Freemium-Modelle oder „in-App-Käufe“.

Gerade in der Daten-Ökonomie sind viele Modelle darauf ausgelegt, zunächst einmal unentgeltlich zu informieren oder mit einem Grunddienst zu dienen. Hierdurch werden Daten und Kundenbindung produziert, um diese dann nachgelagert – sei es durch Zusatzgeschäft oder Datenanalyse – zu monetarisieren.

Als Anschauungsobjekt mag hier wieder unser Projekt 365FarmNet dienen. In der SaaS-Lösung für Farming werden fachliche Module zur Unterstützung der Arbeit auf dem Hof angeboten: Milchwirtschaft, Agrarwirtschaft, Anbauplanung, Düngeplanung, Erntestrategien, Schweinezucht, etc. Dabei gibt es konkurrierende Value Spots. FarmNet hat sich entschieden, für jedes ausgewählte Fachmodul einzeln auf Nutzungsbasis, bspw. verwaltete Hektar, Kühe oder Schafe pro Monat, eine Rechnung zu stellen.

Alternativ wäre es denkbar, alle Fachmodule kostenfrei anzubieten, um damit eine möglichst hohe Verbreitung und eine Unmenge an Daten über die landwirtschaftliche Praxis zu erhalten. Eine hohe Verbreitung ist Immer hilfreich, um faktisch Quasi-Standards zu setzen . Gleichzeitig könnte im Hintergrund eine Anonymisierung der Nutzungsdaten erfolgen und somit eine Real-Data-Analytics-Plattform entstehen, auf deren Basis sich die angewendeten Spritz- und Düngemittel, Ernte- oder Saat-Strategien und Maschineneinsatz vergleichen (Benchmark) ließen. Die Subskription eines solchen Dienstes wäre mit Sicherheit für ein erhebliches Premium an die Produzenten entsprechender Güter zu veräußern.

Ganz wichtig ist es, die identifizierten Modelle rechtzeitig mit Repräsentanten der relevanten Teilnehmergruppen zu überprüfen. Es mag sein, dass die als großartige Option eingeschätzten neuen Ansätze auf Kundenseite gar nicht so gerne gesehen werden, da sie aus Kundesicht andere Nachteile produzieren, die man selbst nicht im Blick hat. In der Summe ist jedoch jedes Feedback mit Vorsicht zu genießen und mit mehreren Kunden zu validieren, um ggf. interessengefärbte Aussagen nicht übermäßig zu gewichten.

Unvergessen bleibt mir das Erlebnis der Holland Sweetener Company (HSC) in Erinnerung! Coke und Pepsi benötigen für ihre Getränke NutraSweet, ein extrem morgenstarkes Produkt, hergestellt von Monsanto. Als der Patentschutz von NutraSweet am Auslaufen war, motivierten die beiden HSC Fabrikkapazitäten für die Herstellung eines „NutraSweet“-Ersatzes aufzubauen. Auf Basis dieser von HSC finanzierten Kapazitäten konnten Coke und Pepsi dann sehr erfolgreich Neuverhandlung mit Monsanto abschließen, sodass HSC trotz Investitionen ohne Geschäft ausging. (4)

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Digitalisierung für sich gesehen die – vielleicht einmalige – Möglichkeit eröffnet, die eigene Position im Wertschöpfungskontext zu verbessern! Um dies nachhaltig zu erreichen, erfordert es jedoch eine entschlossene Strategie, die ein klares Ziel hat und die Stoßrichtung vorgibt.

Nur wer frühzeitig ein Bild vom zukünftigen Wertschöpfungsgefüge entwickelt, wird sich rechtzeitig auf die Herausforderungen einstellen können. Heutige Einnahmequellen können zukünftig versiegen, da sich durch neue Vertriebswege die Kundenzugänge und -beziehungen verändern werden. Um nicht plötzlich auf dem Trockenen zu sitzen, empfiehlt es sich, rechtzeitig die Szenarien zu erkennen und Handlungsoptionen zu gestalten. Ein solches Konzept stellt die Basis für eine nachhaltige Digitale Transformation dar. Fehlt ein solches, degradieren Digital-Initiativen zu nicht viel mehr als technischen Lösungen oder Automationsprojekten.

Ist Ihre Digitale Transformation bereits im Gange? Sind Sie sicher, auf dem richtigen Weg zu sein? Das richtige Modell zu verfolgen?

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Dies ist der erste einer Reihe von Artikeln, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Digitalen Transformation und ihrer Umsetzung beschäftigen. Weitere Aspekte werden die Kultur, die Organisation, die Finanzierung sowie die technischen Aspekte darstellen. Sie erscheinen in den kommenden Wochen im gleichen Format. Registrieren Sie sich für unseren Newsletter, wenn Sie keinen Artikel verpassen möchten.

Literaturverweise

(1) s. Apple Quartalsbericht Q1FY19, Q2FY19, https://investor.apple.com/investor-relations/default.aspx

(2) s. Jack Welch, „Was zählt“, Econ Verlag, 2001

(3) s.G.S. Altschuller „Erfinden - (k)ein Problem?“, Tribüne Verlag, Berlin 1973

(4) s. Harvard Business Manager, „Mehr Geschäftserfolg - dank der Spieltheorie“, 18. Jg. 2. Q 1996, S. 86